Qualität ist ein bewertungsrelevantes Kriterium in der Gesundheitswirtschaft.
Grundvoraussetzung für eine hohe Qualität ist selbstverständlich eine niedrige Fehlerquote. Fehler entstehen vor allem in Stresssituationen und in Zeiten eines erhöhten Arbeitsaufkommens, wie beispielsweise einer Pandemie. Unklare Organisationsstrukturen sowie eine nicht ausreichende Kommunikation steigern die Fluktuation der Mitarbeiter/innen und führen schließlich zu einem erhöhten Krankenstand und letztendlich zu einer Überlastung der Mitarbeiter/innen im Arbeitsalltag.
Deshalb ist es für das Krankenhausmanagement wichtiger denn je, berufliche Stressoren anzuerkennen und Gesundheitsprävention zu betreiben. Die Erreichung dieser Ziele beginnt damit, sich in seiner Führungsrolle zu reflektieren, um im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und hoher Arbeitsbelastung durch Personalknappheit entsprechend zu handeln. Hierzu braucht es stressresistente Führungskräfte und entsprechend geschulte Teams.
Stress - Woher kommt er und was bewirkt er?
Stress ist evolutionär betrachtet eine normale, gesunde und physiologische Reaktion des Körpers auf Bedrohungen von außen. Dieser, im Rahmen der Evolution immer weiter verbesserter Mechanismus, kann sehr grob in zwei große Kriterien unterteilt werden: In die Reaktion des vegetativen Nervensystems und in die hormonelle Reaktion. Beide Reaktionen hängen eng miteinander zusammen und können nicht wirklich getrennt werden.
Bei der Reaktion des Vegetativums wird die Sympathikus Achse, also die Anspannung, aktiviert. Beispielsweise werden die Pupillen weiter, was evolutionär wichtig ist, sodass man mehr sehen und vor allem wahrnehmen kann. Die Haare richten sich auf. Damit wirkt man größer und für den „Gegner“ bedrohlicher. Auf der hormonellen Ebene schüttet der Körper in der ersten Welle des Stresses das Hormon Adrenalin aus. Dies führt dazu, dass der Blutzuckerspiegel, die Herzfrequenz und der Blutdruck steigen. Dadurch wird der Körper in „Alarmbereitschaft“ versetzt. So konnten wir, auf die Evolution bezogen, besser angreifen oderfliehen.
Ist der Gegner zu stark oder sind die Fluchtwege versperrt, bleibt noch die Schockstarre.
Heute leben wir als „zivilisierte Menschen“, doch unterliegen wir alle den, in der Urzeit entwickelten, Reaktionen. Gerade in schwierigen und heiklen Gesprächen zeigen sich diese häufig. Geht es im Gespräch um viel, wird die Stimmung emotional und ist die Meinung kontrovers, zeigen wir häufig Abwandlungen der Stressreaktion. Im „Angriffsmodus“ werden wir beispielsweise laut und greifen den anderen an. Fluchtverhalten zeigt sich dadurch, dass wir versuchen das Thema zu wechseln: Hauptsache, wir können die Situation umgehen. Die Schockstarre zeigt sich, indem wichtige, aber unangenehme Themen nicht angesprochen werden. Einige Stunden nach solchen schwierigen oder unangenehmen Gesprächen fallen uns dann plötzlich gute Argumente ein, die man hätte anbringen können. Zwar nehmen wir uns dann vor, beim nächsten Gespräch ganz anders zu argumentieren, kommen wir aber wieder in eine ähnliche Lage, reagieren wir ähnlich.
Die Halbwertzeit der gerade beschriebenen Adrenalinausschüttung ist sehr kurz. Damit der Körper dennoch in „Alarmbereitschaft“ bleibt, schüttet er zusätzlich das deutlich länger wirksame Hormon Cortisolaus. Hier beträgt die Halbwertzeit mehrere Stunden. Der evolutionär biologische Sinn der Hormonausschüttung liegt darin, dass die Gruppe der Neandertaler bei einem Angriff der Säbelzahntiger auch Stunden nach einer Attacke immer noch gefährdet waren, denn man musste mit weiteren Angriffen rechnen. Eine wichtige Wirkung des Cortisols liegt in der Veränderung unserer Wahrnehmung. Wir rechnen nun förmlich mit dem nächsten Angriff und „wittern“ hinter jeder Aktion eine weitere Attacke. Dies führt dazu, dass wir deutlich schlechter entspannen können, wenn wir aus einer Stresssituation kommen. Es fällt uns schwereinzuschlafen. Schlafstörungen sind die ersten Anzeichen von übermäßigem Stress. Gestresste Menschen neigen dazu, sich deutlich schlechter um sich selbst zu kümmern. Freunde, Familie und andere mögliche Kraftquellen werden vernachlässigt. Ebenso typisch ist eine Gewichtszunahme. Der Teufelskreis der Belastungen beginnt sich immer schneller zu drehen.
Aufbau der Widerstandskraft
Wenn man Stress angehen möchte, dann empfiehlt es sich eine einfache Gleichung zu Hilfe zu nehmen. Darin ist Stress das Ergebnis aus den anstehenden Stressoren (also den Aufgaben, die erledigt werden müssen)multipliziert mit dem „inneren Widerstand“. Der innere Widerstand beschreibt die Haltung, die man dem Thema gegenüber einnimmt. Viele Menschen neigen dazu, sich im Stress intensiver über Dinge aufzuregen, um dann in der Folge noch mehr Stress zu erfahren. Um die Gleichung zu komplettieren, wird unter das Ergebnis der Multiplikation ein Bruchstrich aufgeführt. Die darunter aufgeführten Ressourcen zeigen das auf, was uns guttut. Gelingt es also, entweder die Arbeitslast zu reduzieren, den inneren Widerstand erfolgreich zu verkleinern oder Ressourcen zu erweitern, sinkt der Stresspegel.
Dies ist der Erfolgsfaktor - in der individuellen Handlungsweise als auch in der Teamarbeit.
Resilienz
Die Stressmedizin rückte in jüngster Zeit den Aspekt der Resilienz in den Fokus. Damit wird beschrieben, wie Menschen trotz Stressgesund bleiben und Krisen besser bewältigen können. Zwar gibt es Hinweise, dass Grundvoraussetzungen der Resilienz bereits in der Kindheit und sogar im letzten Drittel der Schwangerschaft gelegt werden. Dennoch ist in der Wissenschaft sehr klar geworden, dass Resilienz erlernbar aber auch wieder verlernbar ist. Mit den sieben Säulen der Resilienz wird beschrieben, welche Faktoren Stressresistenzfördern. Wenn es beispielsweise gelingt, lösungsorientiert an Probleme heranzugehen oder Dinge zu akzeptieren, die man nicht ändern kann, lässt das den Stresspegel signifikant sinken. Dabei kann auch das Implementieren von „Resilienzcoaches“ ein hilfreicher Beitrag sein, um Stress in der Klinik zu reduzieren. Bei diesem Ansatz werden Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichen Berufsgruppen im Krankenhaus ausgebildet, um Ansprechpartner zu sein und wie ein Ersthelfer bei einem Unfall zu unterstützen. Diese Resilienzcoaches ersetzen dabei nicht die professionelle Hilfe, wenn Menschen psychisch erkrankt sind und sie sollen auch nicht dazu dienen, dass man auf systemischer Sicht daran arbeiten muss, dass die Arbeitslastreduziert wird. Dennoch können die internen Berater einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit im Krankenhaus beitragen. Das Institut für Stressmedizin Rhein Ruhr(ISM) hat hierfür spezielle Ausbildungen gestaltet, die als Inhouse Schulung über 5 Tage mit anschließender regelmäßiger Supervision gut in den Alltag im Krankenhaus eingebunden werden können.
Individuelle Stressoren besser kennen lernen
Nicht für alle Menschen sind bestimmte Situationen gleichermaßen mit Stressverbunden. Das liegt daran, dass Menschen auf Situationen unterschiedlich reagieren, denn ihre inneren Antriebe und Persönlichkeitsmerkmale sind unterschiedlich ausgeprägt. Was den einen stresst, kann für den anderen ein Vergnügen sein!
Um in Stresssituationen weiterhin effektiv denken und handeln zu können, hilft es zu wissen, durch welche Motive und Antriebe das Handeln bestimmt wird: In welchen Situationen fühle ich mich wohl und wann wird Stress in mir ausgelöst?
Das LUXX-Persönlichkeitsmodell macht Antriebe, Werte und Ziele von Menschensichtbar und Handlungsweisen von Menschen erklärbar. Das Modell basiert auf einem standardisierten psychologischen Test, der über zwei Jahre an der Universität zu Luxemburg in einer Studie entwickelt wurde. Mit dem Ergebnis des Tests, dem LUXXprofile, steht eine moderne Darstellung von Persönlichkeitsstrukturen zur Verfügung, die alle wissenschaftlichen Kriterien wie Validität, Reliabilität und Objektivität erfüllen.
Zu den 16 fundamentalen und wissenschaftlich fundierten Motiven, welche in der Persönlichkeitsstruktur von Menschen gemessen werden, zählen Neugier, Einfluss, Besitzen, Sozialkontakte, Soziales Engagement, Sicherheit, Bewegung, Familie, Soziale Anerkennung, Status, Autonomie, Prinzipien, Struktur, Revanche, Essensgenuss und Sinnlichkeit.
Die16 Motive werden als Ausdruck von Bedürfnissen verstanden. Sie sind bei jedem Menschen individuell ausgeprägt und bilden somit das Fundament der Persönlichkeit. Dabei gilt: Menschen streben stets danach, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die unterschiedlichen Ausprägungen der Lebensmotive lassen erkennen, wonach eine Person strebt, was ihr wirklich wichtig ist, oder worauf weniger Energie verwendet wird. Die Ausprägungen der Motive stellen dar, zu welchen Handlungen man neigt, weil diese von Natur aus leichter fallen. Andersherum wird durch das Persönlichkeitsmodell sichtbar, welche Aufgaben anstrengen, sich also nicht mehr in der Komfortzone befinden, und damit Stress auslösen.
Antriebe und Motivatoren in Energie umsetzen
Sich selbst und die eigenen grundlegenden Bedürfnisse zu verstehen, ist eine wesentliche Voraussetzung, um sich in Balance zu halten oder wieder in Balance zu bringen.
Je nach Ausprägung und Zusammenspiel der persönlichen Lebensmotive variiert das individuelle Stressempfinden. Wenn man um die persönlichen Ausprägungen weiß, können Widerstandsstrategien zur Stressbewältigung ausgearbeitet werden. Zu beachten sind hierbei Synergieeffekte, also sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärkende Motive, aber vor allem Disharmonien.
Insbesondere die Disharmonien können Stress und Konflikte auslösen. Hat man diese analysiert, kann ein Coaching helfen, um entsprechende Selbstkompetenz zu entwickeln. Durch das LUXXprofile wird zugleich deutlich, welche äußeren Faktoren der individuellen Potenzialentfaltung im Weg stehen. Aus diesen Informationen können in einem Coaching persönliche Veränderungsstrategie entwickelt und umgesetzt werden.
Zusätzlich wird das LUXXprofile als zuverlässiges Führungsinstrument genutzt. Wer Persönlichkeiten „lesen“ und damit reflektiert umgehen kann, kann präventiv Stress für Mitarbeiter/innen vermeiden. Durch das LUXXprofile wird ein Konzept erstellt, das die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter/innen berücksichtigt. Das ermöglicht der Führungskraft, Instrumente wie Feedbackgespräche, Zielvereinbarungen oder Incentives passgenau auf die Motive der einzelnen Mitarbeiter/innen anzupassen. Vor allem aber können mit dem Persönlichkeitsmodell Stressoren erkannt und ggf. durch Anpassung der Tätigkeitsbereiche und Teamstrukturen vermieden werden.
Fazit:
Die psychische und physische Reaktion auf Stress ist evolutionsbedingt unvermeidbar. Eine der neuen Herausforderungen für Führungskräfte in der Gesundheitswirtschaft ist es nun, mit Stressoren für Mitarbeiter/innen am Arbeitsplatz sensibler umzugehen. Es gilt, Maßnahmen zur Gesundheitsprävention voranzutreiben, Stressoren zu identifizieren, zu reduzieren und Mitarbeiter/innenentsprechend ihren individuellen Bedürfnissen einen Tätigkeitsrahmen und möglichst das passende Team zu geben.
Für einen ersten Ansatz in dieser Herausforderung hat das Institut für Stressmedizin Rhein Ruhr einen Fragebogen zur Identifikation der Resilienzfaktoren erstellt, welcher gerne durch den Co-Autor zur Verfügung gestellt wird. Zur Identifizierung individueller Stressoren oder problematischer Teamkonstellationen eignet sich die Team- und Führungskräfteentwicklung auf Basis des LUXXprofile.
von Daniela Baum und Dr. Matthias Weniger (Institut für Stressmedizin Rhein Ruhr, ISM)